Dritter Gesang
"Damals in Habana..." schreibt Enzensberger in Berlin. Es ist ein Gesang von einer Insel, Berlin, die das Gedächtnis zu einer anderen Insel, Cuba, leitet. Er wurde zehn Jahre nach Enzensbergers cubanischem Aufenthalt geschrieben.
Zukunft und die Euphorie:
Die Leute fragten in Russland, als die Kollektivierung begann: "Warum ertragen wir solche Begebenheiten, warum ertragen wir solche unmenschliche Behandlungen." Die Antwort war: "Wir bauen unsere Zukunf auf. Wir leiden heute, damit es morgen besser wird."
Die Leute fragten in Russland, als der Große Terror geschah: "Warum ertragen wir solche Begebenheiten, warum ertragen wir solche unmenschliche Behandlungen." Die Antwort war: "Wir bauen unsere Zukunf auf. Wir leiden heute, damit es morgen besser wird."
Als "der Mangel nagte Tag und Nacht" schreibt Enzensberger die Antwort in Cuba zu der gleichen Frage: "Damals dachten wir alle: Morgen wird es besser sein, und wenn nicht morgen, dann übermorgen. Naja- vielleicht nicht unbedingt besser, aber doch anders, vollkommen anders, auf jeden Fall. Alles wird anders sein. Ein wunderbares Gefühl. Ich erinnere mich."
Aber die Euphorie kam nicht, das weiss jeder heute, und das wusste Enzensberger zehn Jahre später. Er beschreibt sich als jung. Warum? Der junge Mensch glaubt, daß es morgen besser wird, weil er zu naiv ist. Aber zehn Jahre später schreibt Enzensberger: "Wir wußten nicht, daß das Fest längst zu Ende, und alles Übrige eine Sache war für die Abteilungsleiter der Weltbank und die Genossen von der Staatssicherheit, genau wie bei uns und überall sonst auch."
"Wir suchen etwas, hatten etwas verloren" - "vergessen habe ich wenig":
Was suchten sie? Eine Euphorie vielleicht. In Cuba aber war die Euphorie nicht vorhanden.
Der Untergang, "ich allein sah ihn und niemand sonst":
Im Juni, Anfang April, oder vielleicht kurz vor Ostern kam seine Vision da in Cuba. Der Dichter sah seinen Eisberg und er trieb auf den Dichter zu. Der Eisberg hat ihn gerufen und er gehört zum Eisberg. Er muss darüber schreiben. Als Künstler sieht er den kommenden Weltuntergang, aber die anderen sprechen von Dante, Stalin, Horkheimer und Zucker. Ihre Worte haben zehn Jahre später keine Bedeutung mehr. Er erinnert sich an den Eisberg.
Russisch, Deutsch, Spanisch / Maria Alexandrovna, deutscher Deserteur, Heberto Padilla?
Was bedeuten diese Leute? Wer sind sie?
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