OBERDECK

 

Einundzwangzigster Gesang

Hinterher natürlich hatten alle es kommen sehen,

nur wir nicht, die Toten. Hinterher wimmelte es

von Fingerzeigen, Verfilmungen und Gerüchten.

Hunderennen, hiess es, nun auf einmal, wären,

gegen jegliche Sitte, veranstaltet worden,

auf dem C-Deck; eiserne Hasen, bunt bemalt

und durch eine sinnreiche Vorrichtung fortbewegt,

hätten dort schwarz-weiss gescheckte Windunde

verbotenerweise auf Trab gebracht; auch hätte

mancher minderbemittelte Fahrgast bei diesem öden Sport

seine letzten Guineen verspielt; ganz zu schweigen

von der geborstenen Schiffsglocke, von dem Bordeaux

beim Stapellauf, Chateau Larose achtundachtzig,

er war in der Flasche verfault, von dem rätselhaften

Gebaren der Ratten in Queenstown, dem letzten Hafen,

und dem vertuschten Amoklauf in der Schiffskapelle.

Jeder Zufall ist ominös, jedes Laster ist unaussprechlich.

Nur: Was konnten wir dafür? Was wußten wir davon,

von den ausgepeitschten Herzoginnen unter dem Kartentisch,

von den verdorbenen Schiffsjungen, von den Hilferufen

minderjähriger Mädchen aus dem Entlüftungsschacht

und von den Hermaphroditen, die im Türkischen Bad

ihre Öffnungen zeigten? Ja, jetzt, wo es zu spät ist!

Jetzt wollen sie alle die Orgel gehört haben, die,

von keiner sterblichen Hand berührt, nächtelang

unheilige Gassenhauer spielte, uns allen zur letzten

Warnung. Leicht gesagt: Göttliche Nemesis!

Die vorletzten Worte eines beleibten Herrn

zum Beispiel, einem beleibten Herrn, gegenüber

kurz nach dem Auslaufen ahnungslos ausgesprochen:

Nicht einmal Gottvater wäre imstande, diesen Kahn

Zu versenken – wir haben sie nicht gehört. Wir

sind tot. Wir wussten von nichts.

 

Fortsetzung: Nur die Ruhe

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