Konservenmacherinnen (Gemälde von Max
Liebermann, 1880)
Wie auch heute bedeutete wirtschaftlicher Erfolg
nicht Reichtum für alle. Die Gesellschaft war gespalten in die
Besitzenden, die Unternehmer und die Arbeiterschaft. Verschiedene
Zeitschriften wurden gegründet (z.B. "Die
Gesellschaft" von Michael Georg Conrad, 1885; "Die
Revolution der Literatur" von Karl Bleibtreu, 1887).
In den Schiften wird rücksichtslos abgerechnet mit allem, was
der Gründerzeit als Norm des Schönen und Formvollendeten galt.
Überall sah man den Leidensweg des Proletariats, die
Erniedrigung des Menschen durch die moderne Lohnsklaverei und die
langsame Verhäßlichung der Welt durch den um sich greifenden
Kapitalismus, der ehemals bäuerliche Gebiete mit Fördertürmen
und Hochöfen überzog und aus idyllischen Vorstädten einen
rußgeschwärzten Gürtel von Fabrikanlagen machte.
In der bildenden Kunst: Abkehr vom Genrebild. Beseitigung aller
historischen oder dekorativ-festlichen Elemente.
Entkostümierung. Enthüllung der ökonomischen und sozialen
Verhältnisse.
Objektivismus: Man soll nicht mitfühlen, sich in die Stimmung
der dargestellten Personen versetzen, sondern begreifen, daß der
Mensch nur noch ein Teil der ihn übergreifenden Sachbezüge ist.
Anstatt die Personen zu bewerten, ihr Seelenleben zum Ausdruck zu
bringen, stellt Max Liebermann das Gesetz der Arbeit in den
Mittelpunkt, wodurch die zwischenmenschlichen Beziehungen bis zum
Unpersönlichen versachlicht werden.
Gutes Beispiel: Konservenmacherinnen.
Hintergrund dieses Bildes ist keine gekachelte Mauer, keine
"holländische" Kulisse, sondern eine schlichte
Scheunenwand, die in ihrer Alltäglichkeit das zu dieser Arbeit
gehörige Milieu charakterisiert. Liebermann sieht hier im
Bereich der deutschen Malerei die Welt des Bauern zum erstenmal
nicht mit den Augen eines Anekdotensammlers, sondern beschreibt
sie mit naturgegebener Objektivität, indem er den Blickwinkel
auf den Sektor ihrer alltäglichen Sorgen beschränkt. Keine
Pathetik. (Quelle: Richard Hamann und Jost Hermand: Naturalismus)
>>>>